24. November 2022 Sarah Ickert 7 Minuten Lesezeit

Die Zukunft der Arbeit

New Work bedeutet nicht, „Old Work Prozessen“ fancy Namen zu geben! 

Unsere Gesellschaft befindet sich im fortwährenden Wandel – diesen Satz lesen wir mittlerweile fast täglich.
Doch es ist die Art wie wir mit dieser Tatsache umgehen, auf die es ankommt und wie wir dies unter Berücksichtigung gesellschaftlicher und sozioökonomischer Aspekte tun. Denn genau diese Frage ist es, die Unternehmen vor eine große Herausforderung stellt.

In den letzten Jahren wirkten sich die Bewegungen rund um die Klima- und die Corona-Krise nochmal als eine Art Brandbeschleuniger auf diese Herausforderungen aus. Und der aus diesen Zeiten entstandene Gemeinschaftsgedanke, prägt die Sicht darauf, wie wir künftig zusammen Arbeiten und Leben wollen. Weg von der reinen Leistungsgesellschaft mit Überstunden und Konkurrenzdenken, hin zu einer flexiblen, zukunftsfähigen und gemeinschaftlichen Denkweise.

Der Mensch möchte Problemlöser sein, für heutige und künftige Herausforderungen unserer Gesellschaft und er möchte dies im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit sein.

“Arbeit in Zukunft ist jene Leidenschaft, die sich selbst bezahlt” 

Charles Handy stellte bereits in den 80ger Jahren fünf Thesen darüber auf, wie Organisationen die Arbeitswelt in Zukunft gestalten würden. In seinen Thesen ging es darum, dass Arbeit aus weniger Stunden mit einer höheren Vergütung bestünde. Dass den Menschen die freie und flexible Zeiteinteilung wichtiger sein würde als die finanziellen Aspekte einer Tätigkeit. Er ging davon aus, dass die Zahl der selbstständig tätigen Personen steigen und der technologische Fortschritt es Privatpersonen ermöglichen werde, Produkte in der Freizeit selbst herzustellen.
Für die fünfte These verwendete Handy das Nationalsymbol seiner irischen Heimat, dass dreiblättrige Kleeblatt (Shamrock). An diesem Bild zeigte er die Zusammen-setzung einer Organisation. Aus einem Kernteam um das Management herum, aus externe Expert:innen in outgesourcten Bereichen und aus zugekauften Mitarbeiter:innen für “einfache” Tätigkeiten.

New Work – ein Konzept das gar nicht so „New“ ist, wie der Name vielleicht vermuten lässt

Ein weiterer Philosoph und Anthropologe der damaligen Zeit, Frithjof Bergmann, prägte den Begriff New Work. Bergmann, Begründer der New Work Bewegung beschäftigte sich damals als einer der ersten damit, wie eine Organisation davon profitieren kann, wenn sie den Menschen in den Fokus setzt.
Seine Vision, hervorgerufen durch die Automatisierungswelle in amerikanischen Fabriken, er wollte den Arbeitenden eine neue Perspektive bieten. Sie sollten die Möglichkeit bekommen, herauszufinden was sie „wirklich, wirklich wollen“[2]. Die durch die Automatisierung der Prozesse freigewordene Zeit durften die Mitarbeitenden dann dazu nutzen, ihre eigene Berufung zu finden. Die Arbeit sollte vom Lohnsystem entkoppelt und mit einer Kombination aus klassischer Erwerbstätigkeit und sinnstiftender Tätigkeiten zu einem Gemeinwohl beitragen.

New Work im Sinne von Frithjof Bergmann baute also ebenfalls auf drei wesentlichen Werten auf.

Freiheit, Selbstständigkeit und Teilhabe an der Gesellschaft

Wie sieht die Zukunft der (Zusammen)Arbeit aus? 

Coporate Social Responisibility, Liferketten, Menschenwürde, Datentransparenz, Mitgestaltung durch Mitarbeitende und vieles mehr – aus einer Vielzahl ökologischer, ökonomischer und ethischer Werte schaffen zukunftsfähige Unternehmen ein Umfeld, welches Arbeitnehmende als sinnstiftend wahrnehmen. Übertragen auf die heutige Zeit müssen sich Unternehmer:innen also die Frage stellen, wie sie mit ihren Produkten und Dienstleistungen nachhaltig zum Gemeinwohl beitragen können.

“Unser jetziges Wirtschaftssystem steht auf dem Kopf. Das Geld ist zum Selbstzweck geworden, statt ein Mittel zu sein für das, was wirklich zählt: ein gutes Leben für alle.”[3]

Der Mensch im Fokus

Der Mensch braucht und fordert Sicherheit. Insbesondere in Deutschland sind die Menschen darauf bedacht, persönliche Risiken so gering wie möglich zu halten. Es ist also umso verständlicher, dass unsere Gesellschaft über die abhängige Lohn-Arbeit geprägt ist. Doch auch der Ruf nach flexiblen Arbeitsformen, flachen Hierarchien und Mobilität wird zunehmend lauter.

Arbeitgebende müssen sich daher intensiv mit den Themen Flexibilität und Sicherheit, der sogenannten Flexicurity auseinandersetzen.[4]

In diesem Kontext spielen zuverlässige Verträge, lebenslanges Lernen und moderne Systeme der sozialen Sicherheit eine ebenso große Rolle wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Geschlechtergleichstellung und eine gerechte Kostenverteilung, sowohl auf privater als auch auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Seite.

Es geht also bei New Work um weit mehr als um die Arbeit von überall und zu jeder Zeit! Es geht darum den Menschen in seinen unterschiedlichen Rollen zu betrachten. Als Familienmitglieder, Freunde, Vereinsmitglieder, als Individuen mit dem Wunsch nach einem guten Leben. „Work-Life-Blending“, ist hier eines der Stichwörter für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Arbeitswelt.

Kollaboratives und digitales Arbeiten als “New Normal”

Digitalisierung zählt nicht als Errungenschaft von New Work und ist auch keine neue Herausforderung. Dass die Digitalisierung jedoch in den vergangenen Jahren an vielen Stellen vernachlässigt wurde, stellen Unternehmen in Krisenzeiten schmerzlich fest.

Vor allem in den Bereichen Kommunikation sowie digitaler, kollaborativer Zusammenarbeit, waren Unternehmen und deren Mitarbeitende gezwungen, sich schnell an neue Gegebenheiten anzupassen. Was mit Improvisation begann, wurde nach und nach zu einer stabilen Basis der Digitalkompetenz.
Nun geht es um Verstetigung, darum diese Errungenschaften als Teil einer New Work Kultur zu sichern. Hierzu braucht es weiterhin Mut und Offenheit für neue Konzepte der Zusammenarbeit, sowie ausreichend zeitliche und finanzielle Investitionen.

Flexible an die Bedarfe der Menschen ausgerichtete Arbeitskonzepte lösen Starre 9-to-5 Bürozeiten auf. Unterstützende Prozesse werden weiter digitalisiert und die Menschen hierdurch von zeitraubenden Tätigkeiten befreit. Die freigewordene Zeit kann dann, ganz im Sinne von Frithjof Bergmann und Charles Handy in sinnstiftende, für das Gemeinwohl zuträgliche Tätigkeiten, und in die Weiterbildung investiert werden. Hierzu benötigen wir Lösungen, in denen sich Mitarbeitende informell und am konkreten Bedarf weiterbilden können. Auf dem Weg zu einer lernenden Organisation, muss das lebenslange Lernen auf allen Ebenen gefördert, gefordert und in die Arbeitszeit integriert werden. Erst dann wirken sich selbstorganisierte Arbeitsprozesse und Autonomie als Treiber von Produktivität und Mitarbeitenden-zufriedenheit aus.

Resilienz von Organisation und Individuum

Die Zukunft der Arbeit ist bestimmt durch eine neue Betrachtungsweise, die sich von einer rein kapitalistischen und auf Wachstum und Profit orientierten Ausrichtung immer weiter entfernt. Durch die Orientierung am Gemeinwohl, werden Unternehmen in die Lage versetzt mit Komplexität und Veränderung in der Welt besser umzugehen.

Dazu ist es notwendig, Organisationstrukturen zu schaffen, die ein gemeinschaftliches, kollegiales Handeln und denken ermöglichen und befördern. Weg von Hierarchie, hin zu Autonomie, Selbstorganisation und Resilienz.

Ein gutes und einfaches Beispiel dafür, wie solche Strukturen geschaffen werden können, ist die Gestaltung möglicher Arbeitsorte. Das Arbeiten aus dem Homeoffice, als Ort der konzeptionellen und strategischen Stillarbeit. Und das Büro als Ort der “Resozialisierung”, als Anlaufstelle und Anker für Unternehmenskultur, für zwischen-menschliche Begegnungen, den physischen kreativen Austausch und als Innovationsschmiede.

Führung als zentrale Herausforderung

Über all diesen notwendigen strukturellen Veränderungen steht die Führung als zentrale Herausforderungen zukunfts- und wettbewerbsfähiger Organisationen.

Komplexe und volatile Umgebungen fordern ein entsprechendes Mindset und die Neuordnung von Verantwortlichkeiten. Führungsverantwortung wird also künftig stärker in der Rolle als Coach und Möglichmacher:in verstanden werden.

Dies bedeutet für Führungskräfte, dass sie loslassen und Mitarbeitende in Strategien und Prozesse einbinden müssen. Es geht darum Hierarchien aufzulösen, Mitarbeitende zu empowern, Stärken und Potenziale zu erkennen und zu fördern. Elementar wird sein, dass Führungskräfte Veränderungen als Chance begreifen und diese selbst aktiv vorantreiben. Hierfür müssen sie wissen, wie eine gelebte Feedback- und Fehlerkultur aussieht. Sie müssen eine transparente und offene Kommunikation vorleben, das unternehmerische Denken und die Authentizität der Mitarbeitenden fördern.

Die reinen Forderungen nach Selbstorganisation und Autonomie bei Mitarbeitenden reichen nicht aus, es bedarf auch deren Befähigung. Führungskräfte müssen hierbei als Vorbild fungieren, Leitplanken bieten und auch für sich selbst die Sinnfrage ihrer Tätigkeit positiv beantworten können.

Als Führungskraft bedeutet es, weg zu kommen von Kontrolle und Steuerung, hin zu ernstgemeinter gemeinsamer Zielerreichung.

Fazit

Die Zukunft der Arbeit bedeutet die Veränderung unserer Unternehmenskulturen, durch eine gesamtheitliche Betrachtung und mit Konzepten moderner und agiler Arbeit. Dies setzt ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft und Selbstreflexion voraus und bedarf nachvollziehbarer und sinnstiftender Visionen, Strategien und Zielen sowie einem gemeinsamen Werteverständnis.

Hierfür gibt es kein „Allheilmittel“, keine allgemeingültigen Konzepte, welche sich einfach und schnell auf andere Organisationen übertragen lassen. Es ist immer ein individueller Prozess, und eine ganzheitliche Transformation.

Doch es nicht nur das, es ist eine Chance! Eine Chance auf Vielfältigkeit, Agilität, Krisenfestigkeit und einen gemeinschaftlichen Wandel unserer Gesellschaft. Dies öffnet uns Räume, für kritisches und auch unternehmerisches Denken, für zukunftsfähige Visionen, Strategien, eine Auseinandersetzung mit Werten und Zielen und für eine neue Haltung.

Wenn sich Unternehmen für diesen sehr lohnenden Weg entscheiden, dazu bereit sind die eigenen Systeme in Frage zu stellen und an sich zu arbeiten, sind wir an ihrer Seite. Denn gestalten wir die Zukunft der Arbeit nicht selbst aktiv mit, dann werden anderen dies tun.

Wir nehmen die Zukunft in die Hand und die Menschen mit auf dem Weg vom heute ins morgen!

[1] vgl. The changing shape of work and life, Charles Handy, Pages 189-198 | veröffentlicht online: 26 Nov 2007 https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/01442878208423344

[2] vgl Frithjof Bergmann | Neue Arbeit, neue Kultur, Arbor-Verlag, Würzburg, S. 33

[3] vgl. Christian Felber, Autor des Buches “Gemeinwohl-Ökonomie” | veröffentlicht online: https://web.ecogood.org/de/

[4] vgl. https://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=102 | abgerufen am: 28.10.2022