Anforderungsmanagement: Ablauf und Methoden

03/25/2025
Anforderungsmanagement 2.0: Die Reise zum Projekterfolg 

Ein interaktives Abenteuer für Projektheldinnen, die mehr als nur Anforderungen erfassen wollen. 

Willkommen im Dschungel der Anforderungen 

Stell dir vor, du bist Projektleiter:in eines neuen, innovativen IT-Projekts. Dein Ziel: Eine App, die Nutzeri:nnen begeistert und echte Probleme löst. Doch bevor auch nur eine Zeile Code geschrieben wird, befindest du dich in einem unübersichtlichen Dschungel voller Erwartungen, gesetzlicher Vorschriften, technischer Einschränkungen und divergierender Interessen. Willkommen im Anforderungsdschungel! 

Ohne eine klare Route und verlässliche Werkzeuge verlierst du schnell die Orientierung. Hier kommt das Anforderungsmanagement ins Spiel. Es ist deine Landkarte, dein Kompass und dein Survival-Kit zugleich. Denn nur wer die Bedürfnisse aller Beteiligten versteht, strukturiert erfasst und kontinuierlich überprüft, hat die Chance, ein Projekt erfolgreich umzusetzen. 

Was ist Anforderungsmanagement? – Begriff, Ziel und Bedeutung 

Anforderungsmanagement (engl. Requirements Engineering) ist weit mehr als nur das Sammeln von Wünschen. Es ist ein strukturierter Prozess, der sicherstellt, dass alle Anforderungen an ein System, Produkt oder Projekt korrekt ermittelt, dokumentiert, überwacht und kontrolliert werden. Die Internationale Norm ISO/IEC/IEEE 29148:2018 beschreibt Requirements Engineering als eine Schlüsseldisziplin im Software- und Systementwicklungsprozess. 

Das Ziel: ein gemeinsames Verständnis aller Stakeholder über das, was entwickelt werden soll. Gute Anforderungen sind nachvollziehbar, konsistent, eindeutig, testbar und verifizierbar. Sie bilden die Grundlage für die Architektur, die Entwicklung, das Testen und die Wartung eines Systems. 

Ein durchdachtes Anforderungsmanagement reduziert Risiken, senkt die Kosten und steigert die Qualität. Studien zeigen, dass fehlerhafte oder unvollständige Anforderungen eine der Hauptursachen für das Scheitern von Projekten sind (Standish Group, 2020). Wer also Anforderungen unterschätzt, spielt mit dem Scheitern. 

Aus der Praxis: Wenn viele Anforderungen aufeinandertreffen 

Ein reales Beispiel aus der Beratungspraxis zeigt, wie entscheidend ein strukturierter Umgang mit Anforderungen ist: 

„Im Rahmen der Digitalisierung eines Unternehmens wurden zahlreiche Anforderungen aus unterschiedlichen Fachbereichen eingereicht. Schnell zeigte sich, dass eine klare Struktur notwendig war, um Überforderung zu vermeiden und Synergien zu heben. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe sammelte mithilfe semistrukturierter Interviews und Design-Thinking-Workshops systematisch Anforderungen. Regelmäßige Meetings sicherten ein gemeinsames Verständnis zwischen Fachbereichen und Entwicklern.“ 

Diese Erfahrung verdeutlicht, wie wichtig es ist, von Beginn an methodisch sauber vorzugehen – und gleichzeitig empathisch mit allen Beteiligten zu kommunizieren. 

https://gpi-consulting.de/agilitat-anforderungsmanagement-revolutioniert/Der klassische Ablauf im Anforderungsmanagement 

Um systematisch zu arbeiten, lohnt sich ein Blick auf den bewährten Prozessablauf. Das Requirements Engineering umfasst in der Regel sechs zentrale Schritte, die idealerweise iterativ durchlaufen werden: 

1. Anforderungserhebung (Elicitation)

In dieser Phase werden relevante Informationen durch Interviews, Fragebögen, Workshops, Beobachtungen oder kreative Methoden wie Design Thinking gesammelt. Gerade semistrukturierte Interviews sind besonders hilfreich, da sie Raum für Individualität lassen und gleichzeitig Vergleichbarkeit ermöglichen.

2. Anforderungsanalyse

Anschließend wird das gesammelte Material analysiert und strukturiert. Redundanzen, Zielkonflikte und Machbarkeiten werden identifiziert. Besonders wichtig ist, mit Fingerspitzengefühl herauszufinden, was die Stakeholder wirklich brauchen – idealerweise im kontinuierlichen Austausch.

3. Anforderungsdokumentation

Jetzt heißt es präzise dokumentieren: Personas helfen, die Bedürfnisse typischer Nutzergruppen zu verstehen. User Stories mit Akzeptanzkriterien machen Anforderungen testbar und nachvollziehbar. Eine saubere Dokumentation ist Grundlage für die Abstimmung zwischen Stakeholdern und Entwickler:innen. 

4. Anforderungsprüfung und -abstimmung

Qualitätssicherung im Dialog: Die Anforderungen werden auf Verständlichkeit, Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und Testbarkeit überprüft. Dies geschieht in Abstimmung mit allen Beteiligten, um spätere Reibungsverluste zu vermeiden.

5. Anforderungsverwaltung (Requirements Management)

Anforderungen verändern sich. Sie müssen gepflegt, versioniert und priorisiert werden – idealerweise digital, z.B. mit Jira oder DOORS. Ein gutes Clustering der Anforderungen schafft Transparenz und Synergien in der Bearbeitung.

6. Anforderungsvalidierung

Am Ende wird geprüft: Wurde geliefert, was ursprünglich gefordert war? Durch Abnahmen, Tests und Reviews erfolgt die finale Validierung. 

 

Methodenvielfalt – Dein Werkzeugkoffer 

Gutes Anforderungsmanagement lebt von der richtigen Methodik. Die Wahl der richtigen Methode ist situationsabhängig und hängt von Projektart, Stakeholderstruktur und Reifegrad der Organisation ab..  

Interviews & Fragebögen: Sie eignen sich besonders für die Initialphase und erste Bedarfserhebung eines Projekts. Durch strukturierte Gespräche lassen sich explizite Anforderungen erfassen, Zielkonflikte aufdecken und offene Fragen klären. 

Beobachtung & Shadowing: Durch das direkte Beobachten der Nutzer:innen im Arbeitsalltag werden unausgesprochene Bedürfnisse sichtbar. Gerade implizite Anforderungen werden auf diese Weise erkennbar.

Workshops & Design Thinking: Hier stehen Kreativität und Empathie im Fokus. Design Thinking ist eine nutzerzentrierte Methode, mit der sich Anforderungen iterativ, visuell und prototypisch entwickeln lassen. Diese Methode eignet sich besonders in frühen Projektphasen oder zur Lösung komplexer Probleme. 

Prototyping: Ein Prototyp macht Anforderungen greifbar und erhöht das Verständnis bei allen Beteiligten. Besonders hilfreich ist Prototyping in iterativen Entwicklungsprozessen, z. B. in Scrum oder Design Sprints. 

Use Cases & User Stories: Use Cases beschreiben das Verhalten eines Systems aus Sicht der Nutzer:innen. Sie sind besonders in klassischen Projekten verbreitet. User Stories hingegen sind die bevorzugte Methode im agilen Umfeld. Sie folgen meist dem Format: „Als [Rolle] möchte ich [Ziel], um [Nutzen] zu erzielen.“ 

Priorisierungsmethoden: MoSCoW & Co.: Nicht alle Anforderungen können sofort umgesetzt werden. Methoden wie MoSCoW (Must, Should, Could, Won’t) helfen dabei, den Fokus zu behalten. Weitere Methoden sind Kano-Modell, Business Value Analyse oder 100-Dollar-Test. 

Einschub: Interaktive Denksportaufgabe für Profis

Kleine Theoriepause und hin zum Denksport: Stell dir vor, dein Projektteam sammelt folgende Anforderungen: 

  1. Das System soll rund um die Uhr (24/7) verfügbar sein. 
  1. Nutzer:innen sollen ihre Daten selbständig löschen können. 
  1. Der Startprozess soll durch einen pinken Button initiiert werden. 

Welche dieser Anforderungen ist ein „Must“, welche ein „Could“? Begründe deine Entscheidung unter Berücksichtigung gesetzlicher Anforderungen (z. B. DSGVO), Nutzer*innenbedürfnisse und Unternehmensziele

Typische Fehler und wie du sie vermeidest 

Auch mit den besten Tools können Fehler passieren – hier einige Klassiker und wie du ihnen begegnest: 

  • Unklare Sprache: Begriffe wie „benutzerfreundlich“, „schnell“ oder „intuitiv“ sind subjektiv. Anforderungen sollten messbar und eindeutig formuliert sein. Beispiel: Statt „schnell“ lieber „Antwortzeit unter 2 Sekunden bei 95 % der Anfragen“. 
  • Stakeholder ignorieren: Zu oft wird nur mit Management oder IT gesprochen. Doch auch Support, Vertrieb und Endkund:innen liefern wertvolle Einblicke. Eine Stakeholder-Analyse hilft, keine wichtige Perspektive zu vergessen. 
  • Fehlende Priorisierung: Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtig. Ohne klare Prioritäten geraten Teams unter Druck, Zeit und Budget werden falsch verwendet. Hier helfen Methoden wie MoSCoW oder Value vs. Complexity Matrix. 
  • Keine Pflege der Anforderungen: Anforderungen sind lebendig. Wenn sie nicht regelmäßig überprüft und angepasst werden, entsteht eine Diskrepanz zwischen Plan und Realität. Agiles Anforderungsmanagement bedeutet kontinuierliches Lernen und Anpassen. 
Fazit – Der Weg ist das Ziel 

Anforderungsmanagement ist keine einmalige Aufgabe, sondern ein fortlaufender Prozess, der über den gesamten Projektlebenszyklus hinweg begleitet. Es erfordert analytisches Denken, Kommunikationsgeschick, methodisches Wissen und die Fähigkeit zur Moderation zwischen verschiedenen Perspektiven. 

Ein gutes Anforderungsmanagement kann den Unterschied machen zwischen einem gescheiterten und einem erfolgreichen Projekt. Es lohnt sich, hier zu investieren – in Zeit, in Methodenkompetenz und in Tools. 

 

Digitale Helferlein im Anforderungsmanagement 

Modernes Anforderungsmanagement ist ohne digitale Tool-Unterstützung kaum noch vorstellbar. Besonders hilfreich sind z.B.: 

  • Jira: Ideal für agiles Requirements Engineering mit User Stories, Epics und Backlogs 
  • Confluence: Für die Dokumentation und die Verknüpfung von Anforderungen mit Wissensartikeln 
  • ReqIF Studio: Open-Source-Tool für formale Anforderungen, besonders im regulierten Umfeld 
  • IBM Engineering Requirements Management DOORS: Industriestandard in großen Entwicklungsprojekten, z. B. im Automotive- oder Aerospace-Bereich 
Wir begleiten dich durch den gesamten Prozess 

Uns bei der GPI ist es besonders wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Daher begleiten wir unsere Kunden nicht nur bei der Aufnahme der Anforderungen, sondern unterstützen ebenfalls bei der Koordination der Bearbeitung, beim Testing der Umsetzung sowie bei der Abnahme der fertigen Entwicklung. 

Wir beraten dich nach den Ansätzen des International Requirements Engineering Boards (IREB). Während der Umsetzung von Anforderungen arbeiten wir bei der GPI gern mit agilen Methoden, um flexibel auf Änderungen eingehen zu können. 

Genau das was du suchst? Schreibe uns! 

Autor: Ali Sasmaz

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