19. August 2024 Dana Fofie 5 Minuten Lesezeit

Agile Methoden und Requirement Engineering: 4 hilfreiche Tipps

Eine tiefere Betrachtung darüber, wie agile Prozesse die Anforderungsanalyse und -verwaltung verändern

Die Welt der Softwareentwicklung hat sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert. Ein zentraler Aspekt dieser Veränderung ist die Einführung und Verbreitung agiler Methoden. Agile Prozesse haben das Requirement Engineering (Anforderungsanalyse und -verwaltung) tiefgreifend beeinflusst und transformiert. In diesem Blogartikel betrachten wir, wie diese Veränderungen aussehen und geben vier wertvolle Tipps, wie Unternehmen und Teams von dieser Entwicklung profitieren können. 

Die Revolution durch Agile Methoden

Traditionell folgte das Requirement Engineering einem aufeinanderfolgenden Prozess, oft als Wasserfallmodell bekannt. Hierbei werden Anforderungen zu Beginn eines Projekts detailliert spezifiziert und erst dann die Entwicklung gestartet. Dieses Modell hat jedoch seine Schwächen, insbesondere wenn die Anforderungen sich ändern und deshalb Flexibilität und Anpassungsfähigkeit benötigt werden. 

Agile Methoden, wie Scrum, Kanban oder Extreme Programming, haben den Prozess der Anforderungsaufnahme im Requirement Engineering deutlich revolutioniert. Agilität meint hier die Fähigkeit, schnell und effektiv auf Änderungen zu reagieren und kontinuierliche Verbesserung zu ermöglichen. Im Kontext des Requirement Engineerings bringt dies mehrere signifikante Veränderungen mit sich: 

  1. Kontinuierliche Anforderungsdefinition: Anstatt alle Anforderungen zu Beginn festzulegen, werden sie im Verlauf des Projekts kontinuierlich definiert  und angepasst. Somit liegt auch die Genauigkeit der Anforderungen im Fokus und diese wird kontinuierlich überprüft. 
  2. Engere Zusammenarbeit mit Stakeholdern: Agile Methoden fördern eine engere und fortlaufende Zusammenarbeit mit den Kunden und anderen Stakeholdern. 
  3. Iterative Entwicklung: Anforderungen werden in kleinen, inkrementellen Schritten umgesetzt und die Richtigkeit der Umsetzung wird innerhalb dieses Prozesses regelmäßig überprüft. 
  4. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Agile Prozesse ermöglichen es schnell auf Veränderungen zu reagieren und Anforderungen entsprechend anzupassen. 

Tipp 1: Nutzerzentrierte Anforderungsdefinition 

Ein wesentlicher Vorteil agiler Methoden ist die stärkere Fokussierung auf die Bedürfnisse der Endnutzer. Hierbei kommen Werkzeuge und Methoden wie User Stories und Personas ins Spiel. 

User Stories sind kurze Beschreibungen einer Anforderung aus der Perspektive des Nutzers. Sie helfen, die Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer besser zu verstehen und zu priorisieren. Ein Beispiel für eine User Story könnte lauten: „Als Nutzer möchte ich mich mit meinem sozialen Netzwerkprofil anmelden können, um den Anmeldeprozess zu beschleunigen.“ 

Personas sind fiktive Charaktere, die typische Nutzergruppen repräsentieren. Sie werden basierend auf Nutzerforschung und Daten erstellt und helfen dem Team, die Anforderungen und Wünsche der Nutzer besser zu verstehen und zu berücksichtigen. 

Tipp: Integrieren Sie regelmäßig User Stories und Personas in Ihren Anforderungsprozess, um genau zu verdeutlichen welches Ziel für welche Nutzergruppe erreicht werden soll. Organisieren Sie Workshops und Meetings mit echten Nutzern und Stakeholdern, um kontinuierlich Feedback zu sammeln und Ihre Anforderungen zu verfeinern. 

Tipp 2: Agile Backlogs effektiv nutzen 

Ein zentrales Werkzeug im agilen Requirement Engineering ist der Product Backlog. Hierbei handelt es sich um eine priorisierte Liste von Anforderungen, die regelmäßig aktualisiert und angepasst wird. Der Backlog ist dynamisch und entwickelt sich im Laufe des Projekts weiter. 

Priorisierung ist ein Schlüssel zum Erfolg. Anforderungen im Backlog sollten nach ihrem Geschäftswert, Risiko und Aufwand priorisiert werden. Tools wie das MoSCoW-Modell (Must have, Should have, Could have, Won’t have) können hierbei hilfreich sein. 

Tipp: Nutzen Sie den Product Backlog als lebendes Dokument. Überprüfen und aktualisieren Sie ihn regelmäßig in Zusammenarbeit mit Ihrem Team und den Stakeholdern. Verwenden Sie agile Planungswerkzeuge wie Jira oder Trello, um den Backlog transparent und zugänglich für alle Beteiligten zu halten. 

Tipp 3: Regelmäßige Retrospektiven und Reviews 

Ein zentraler Bestandteil agiler Methoden sind regelmäßige Reviews und Retrospektiven. Diese Meetings bieten eine strukturierte Gelegenheit, um die bisherige Arbeit zu überprüfen, Feedback zu sammeln und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. 

Sprint Reviews finden am Ende jedes Sprints (Entwicklungszyklus) statt. Sie dienen dazu, die Ergebnisse des Sprints den Stakeholdern zu präsentieren und Feedback einzuholen. 

Retrospektiven hingegen konzentrieren sich darauf, den Entwicklungsprozess selbst zu reflektieren. Das Team analysiert, was im Sprint gut gelaufen ist, welche Herausforderungen es gab und wie der Prozess in Zukunft verbessert werden kann. 

Tipp: Etablieren Sie eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung. Führen Sie regelmäßige Reviews und Retrospektiven durch und sorgen Sie dafür, dass das Feedback in konkrete Maßnahmen zur Prozessverbesserung umgesetzt wird. Dokumentieren Sie die Ergebnisse und Maßnahmen, um den Fortschritt zu verfolgen und sicherzustellen, dass Verbesserungen nachhaltig implementiert werden. 

Tipp 4: Flexibilität bewahren und auf Veränderungen reagieren 

Einer der größten Vorteile agiler Methoden im Requirement Engineering ist die Flexibilität. Anforderungen können sich im Laufe eines Projekts ändern, sei es aufgrund von Marktveränderungen, neuen Erkenntnissen oder geänderten Nutzerbedürfnissen. Agile Methoden ermöglichen es, diese Veränderungen schnell und effektiv zu berücksichtigen. 

Change Management wird in einem agilen Umfeld nicht als störend, sondern als integraler Bestandteil des Prozesses betrachtet. Statt starrer Pläne und fester Anforderungen gibt es Raum für Anpassungen und Iterationen. 

Tipp: Bleiben Sie flexibel und offen für Veränderungen. Integrieren Sie Mechanismen zur schnellen Anpassung von Anforderungen und Prozessen in Ihr agiles Framework. Nutzen Sie Werkzeuge wie Change Logs oder dynamische Roadmaps, um Änderungen zu dokumentieren und transparent zu kommunizieren. 

Aus der Praxis: Zentrales Anforderungsmanagement 

Ein zentrales Anforderungsmanagement bietet zahlreiche Vorteile wie Konsistenz, verbesserte Kommunikation, erhöhte Effizienz und bessere Qualität der Anforderungen. Es gibt jedoch auch Risiken wie Überlastung, Kommunikationsprobleme, Widerstand und Flexibilitätsverlust. 

Tipp: Um die Risiken zu minimieren, sollten regelmäßige Schulungen und eine klare Kommunikationsstrategie implementiert werden, um sicherzustellen, dass alle Stakeholder einbezogen und informiert sind. 

Fazit: Mit einer sorgfältigen Implementierung und einer ausgewogenen Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Abteilungen kann ein zentrales Anforderungsmanagement erhebliche Vorteile bringen und gleichzeitig potenzielle Risiken reduzieren. 

Abschließendes Fazit 

Agile Methoden haben das Requirement Engineering grundlegend verändert. Durch eine nutzerzentrierte Anforderungsdefinition, den effektiven Einsatz von Backlogs, regelmäßige Retrospektiven und Reviews sowie eine hohe Flexibilität im Umgang mit Veränderungen können Unternehmen und Teams ihre Entwicklungsprozesse optimieren und erfolgreichere Projekte realisieren. 

Die Umstellung auf agile Methoden erfordert jedoch ein Umdenken und eine Anpassung der Arbeitsweise. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten – vom Management bis zu den Entwicklern – die Prinzipien und Werte der Agilität verstehen und leben. Nur so kann die volle Wirkung entfaltet werden. 

Mit diesen Tipps sind Sie gut gerüstet, um die Vorteile agiler Methoden im Requirement Engineering zu nutzen und Ihre Projekte effizient und erfolgreich umzusetzen. 

Autorin: Maike Young

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